GSBV-Mitglied Sebastian und Yohan haben uns (vor 8 Monaten) für das HMDS in Marokko im Oktober an-gemeldet.
Was ist HMDS? Halbmarathon auf dem Sand. Es handelt sich um ein 120 km langes
Wüstenrennen, welches in vier Tagen (ein Ruhetag) durchgeführt wird. Wir mussten die Verpflegung und alle sonstigen Dinge aus Deutschland mitbringen. Während des Rennens war es Pflicht alle Sachen außer unser Zelt in den Rucksack zu packen und mitzutragen.
Man konnte zwischen Gehen oder Laufen wählen (95 % der Teilnehmer waren mit einer Mindestgeschwindigkeit von 3,4 km/h unterwegs). HMDS gibt es erst seit zwei Jahren und findet in verschiedenen Ländern statt, in Marokko, Peru, Fuerteventura, Jordanien und Kappadokien (Türkei) und demnächst auch in Namibia und Ägypten.
Unsere Ausrüstung bestand aus einem Rucksack, Gamaschen zum Schutz der Innenschuhe vor Sand, gefriergetrockneten Mahlzeiten, Kochtöpfen und minimalistischen Kochplatten.
Wir sind von Berlin über Madrid nach Marrakesch geflogen. Dort wurden wir abends von einheimischen Fahrern abgeholt und zum Hotel gebracht - mitten in der Altstadt von Marrakesch.
Am nächsten Tag erkundeten wir wie Touristen die Stadt Marrakesch und konnten tolle Sehens-würdigkeiten, wie den Bahia-Palast, den Majorelle-Garten, das Blaue Haus und das
Yves- St-Laurent -Museum (freie Eintritt für Gehörlose) und Marktplätze (Basare) besichtigen. Abends waren wir in einem Restaurant um die lokalen Tajine zu genießen.
Sonntag 15.10.2023:
Um 7 Uhr morgens trafen wir uns zur Abfahrt nach Ouarzazate (6 Stunden Fahrt mit zwei Pausen) Ankunft war gegen 14:00 Uhr im HANANE Hotel. Danach erfolgte der erste Check-In zur Kontrolle der Renntaschen (technische Inspektion und Startnummernausgabe) mit
folgendem Ablauf:
1. Kontrolle: die Namen für die Startnummer. OK
2. Kontrolle: Das GPS + Erste Hilfe Paket. OK
3. Kontrolle: Unterlagen mit Informationen und Roadbook. OK
4. Kontrolle: Ärztliches Attest. OK
Alles ist erfolgreich und gut verlaufen! Wir sind bereit für das Rennen in zwei Tagen! Danach ging es zurück zum Hotel um die letzten Momente mit freiem Internet und grünem Tee zu genießen.
Montag 16.10.2023:
Busabfahrt war um 8 Uhr mit einer Fahrzeit von 6 Stunden durch die Wüste von Zagora. Wir
mussten unsere großen Koffer im Bus lassen, die wir erst nach dem Zielschluss in 5 Tagen
wieder abholen konnten. Wenn wir etwas vergessen haben – war es ab jetzt zu spät, denn
sobald wir ausgestiegen sind, waren wir ab jetzt nur mit unseren Renntaschen bereit für die Wüste.
Aber eine Stunde vor der Ankunft gab es ein Problem. Die Straßen waren voll mit Sand bedeckt. Der Busfahrer wollte nicht das Risiko eingehen, weiter zu fahren! Eine Stunde lang wurde diskutiert über Was, Wenn und Aber. Während dieser Zeit warteten wir vor dem Bus und trafen andere Teilnehmer und auch Kinder aus dem Dorf.
Endlich ging es weiter…
Angekommen im Biwak. Hunderte gelbe Zelte, ein paar große schwarz weiße Zelte und ein großer grüner Zielbereich erwartete uns. Endlich ist es soweit!
Zuerst bekamen wir eine große 5L-Flasche Wasser (ausreichend für heute Abend und am nächsten Morgen vor dem Rennen).
Die Aufregung steigt bis zum Maximum und damit auch der Stress, ob wir wirklich nichts vergessen haben. Es ist unser erstes Mal in einer Wüste, so viel Sand soweit das Auge reicht, beeindruckende Landschaft!
Wir fanden schnell unsere Biwak-Nummer 73, die wir mit 4 anderen Teilnehmern teilten. Sie sind alle nett und fürsorglich. Die eine Hälfte kam aus Frankreich und die andere Hälfte aus Deutschland, so war es gut ausbalanciert.
Dann begann die erste Selbstversorgung mit den mitgebrachten Lebensmitteln. Zum Abendessen machten wir unsere Holzkocher heiß und bereiteten die gefriergetrockneten Mahlzeiten zu. Die Nacht war recht kühl und ruhig.
Zwischeninfo:
- Nach jeder Etappe erhält der Finisher eine große 5-Liter-Flasche Wasser zum Trinken
und auch für das Zubereiten des Abendessens, oder wenn nötig, um unsere Kleidung
waschen .
- An den Checkpoints bekommen wir bis zu 2 Liter Wasser zum Auftanken oder zum Erfrischen (Kopf und Hals kühlen). Hier kann man sich auch erholen.
- Checkpoints gab es alle 5 - 8km.
- Das medizinische Zelt ist täglich geöffnet, um die geschädigten Füße oder andere Verletzungen behandeln zu lassen. Es besteht aber auch die Möglichkeit, sich selbst zu behandeln.
Der 16. Oktober ist der 1. Tag des Rennens mit 25,2 km (480 m D+) mit einem Terrain von 60 % Sand, 11 % Dünen (weicher Sand). Das Zeitlimit beträgt 8:30 h.
Aufwachen, auf das Rennen vorbereiten. Wir packen alles ein (außer das Zelt) und begeben uns zum Briefing an den Start. Clémence, die Social-Media-Managerin, kam zu uns um das Gesagte auf ihrem Handy als Transkription zu übersetzen (es waren keine Gebärdendolmetscher geplant, aber Plan B hat auch funktioniert).
Um 8 Uhr ging die Sonne auf und es war Anpfiff!
Wir beschlossen, den gesamten Weg zusammen zu gehen, um uns gegenseitig zu unterstützen und um es für uns für die erste Etappe einfacher zu machen, damit wir für die weiteren Tage gut vorbereitet sind.
Der 1. Tag war wirklich etwas Besonderes, denn ab 10 Uhr stieg die Temperatur bereits auf fast 30 Grad! Wir kamen gegen 13:10 Uhr beide zusammen an. Das sind insgesamt 5 Stunden und 10 Uhr Minuten!
Leider hat die Gamaschenverklebung nicht lange in der Hitze und dem Sand gehalten, aber es hat trotzdem alles gut geklappt.
Der Nachmittag verlief ruhig und wir lernten unsere Biwakgruppe kennen. Wir bereiteten uns mental für den nächsten Tag vor, denn es stand ein langes Rennen bevor!
Der 17. Oktober ist der 2. Tag des Rennens mit 57,5 km (970 m D+), davon 34 % Sand, 2 %
Düne (weicher Sand) und 54 % Fels (kleine Steine).
Die Startzeit war um 7:30 Uhr.
Wir gingen im frühen Morgengrauen los, noch bevor die Sonne aufging, das war großartig!
Uns wurde vorher mitgeteilt, dass es am Nachmittag ein paar Wolken geben soll.
Nach 2 Stunden intensiven Aufstieg auf weichem Sand und anschließend den Abstieg hinunter verlor ein Teilnehmer das Gleichgewicht trotz seiner Stöcke. Mit diesen Stöcken wollte er besser aufstemmen und versperrte dadurch Yohan den Weg. Yohan stürzte dabei schwer in den Sand und hatte überall Sand, im Rücken, in den Augen, in den Haaren, in den Nasenlöchern, auf der Brust und vor allem unter den Shorts! Es gab zufälligerweise ein Ärzteteam in der Nähe, welche Yohan mit Wasser halfen, sich einigermaßen zu reinigen. Sebastian setzte seinen Weg fort.
Ab Kilometer 18 gab es zwei Strecken – Möglichkeiten, 40 km oder 57,5 km. Wir entschieden uns für die lange Strecke, da wir wussten, dass es in ein paar Stunden kühler sein wird (bewölkt). Zu diesem Zeitpunkt gegen 11 Uhr waren es schon 37 Grad, ab 12 Uhr stieg die Temperatur auf 40 Grad. Aber ab 13 Uhr sank die Temperatur dann auch wieder.
Wir gingen zusammen, ohne uns zu unterhalten, auch um Energie zu sparen, da wir unbedingt die Etappe zu Ende bringen wollten. Gegen 18 Uhr kamen wir an den letzten Kontrollpunkt. Hier beschloss Sebastian zu bleiben und sich mit einer gefriergetrockneten Mahlzeit zu stärken, da wieder ein langer felsiger Aufstieg und ein 6 km langer Abstieg auf weichem Sand bevorstand. Yohan ging es gut und wir haben uns geeinigt, getrennt weiter zu gehen. Ein wenig Traurigkeit lag in der Luft. Yohan ging alleine weiter.
19 Uhr, die Nacht bricht herein, Stirnlampe auf dem Kopf, es fühlt sich sehr einsam an. Nach 12 Stunden 30 Minuten hat Yohan endlich das Ziel erreicht. Weniger als eine Stunde später kam auch Sebastian mit 13 Stunden 17 Minuten im Ziel der 2. Etappe an! Bei der Ankunft sind andere Teilnehmer und Freiwillige da, um zu applaudieren und mit den Händen in der Luft zu wedeln! Starke Emotionen!! WIR HABEN ES WIRKLICH GESCHAFFT !!!!
Und wir waren verdammt erschöpft, aber stolz. Schnelles Abendessen und dann schlafen.
18 Oktober Ruhetag:
Ausschlafen, aber wir sind trotzdem früh wach. Wir achten auf eine
bewusste Entlastung unserer Körper durch Gehen und Hoppeln. Kleine Haushaltsaufgaben standen an: Wäsche waschen, Sand vom Zelt fegen. Essenrationen neu organisieren. Wir ruhen uns unter dem schwarzen Gemeinschaftszelt aus, in dem sich alle anderen Teilnehmern auch niederlassen, um Karten zu spielen, sich zu entspannen und mit Freunden oder neuen Freunden zu plaudern, oder um unsere gestressten Füße und andere Wunden zu behandeln. Der Tag ging sehr langsam herum und schien immer länger zu werden. Auch weil es so heiß ist und man das Gefühl hat, zu schmelzen.
Gegen 15 Uhr gab es eine Überraschung, Cola mit Eiswürfeln und Plastiktüten mit Schaufeln, aber wofür? Weil uns heute Abend ein Sandsturm erwartet. Wir tranken die Cola in einem Zug runter und machen uns auf den Weg, um den Sack mit Sand zu befüllen. Damit haben wir Gewicht in unsere Zelte legen können, dass die Zelte nicht vom Sturm mitgerissen werden! Der Abend verlief trotz allem problemlos.
Der 19. Oktober ist der letzte Tag: 24,5 km (180 m D+). Die Nacht war durch den Sturm ungemütlich, die meisten konnten nicht gut schlafen (lautes Flattern der Zelte und andere Windgeräusche). Wir haben aber ganz gut geschlafen.
Startzeit ist um 6 Uhr! Wir laufen, weil es noch dunkel ist, unter dem wunderschönen Himmel mit vielen Sternen! Dies ist eine angenehme Phase, weil der Rucksack jetzt so viel leichter ist, die Temperatur kühl ist und da wir uns auf das große Finale des HMDS freuen.
Wir kamen gegen 11 Uhr morgens gemeinsam durchs Ziel, wo viele Teilnehmer, Helfer und Ärzte applaudierten und mit den Händen in der Luft wedelten! Sebastian jubelte mit der Deutschlandfahne und Yohan mit die Gehörlosenfahne! Wir freuen uns sehr, das Ziel erreicht zu haben!
Gesamte Rennzeit:
- Yohan 22h20min
- Sebastian 23h09min
Das HMDS- Rennen ist zu Ende, die Koffer können abgeholt werden! Die Dusche wurde für uns aufgebaut, um uns für den Galaabend frisch zu machen. Sie minimalistisch mit einem Eimer und einem kleinen Becher zum Waschen aufgebaut.
Aber plötzlich zog ein großer Sandsturm von 40 bis 70 km/h auf, der ein Drittel der Zelte und Toilettenkabinen wegfegte oder zunichte machte. Wir mussten uns inzwischen in der Schutzhütte aufhalten, während die Lastwagen im Halbkreis um uns herum aufgestellt wurden, damit wir mehr Windschutz hatten. Wir konnten kein Feuer anmachen um unser Essen zu kochen.
8 Stunden später waren wir hungrig, durstig und müde. An uns wurde jeweils eine Dose Limonade verteilt. Ein kleiner Moralschub, aber der Sturm hielt weiter an. Es wurde beschlossen trotz allem mit der Preisverleihung fortzufahren und den Galaabend zu beginnen.
Zur Siegerehrung wurden wir beide Gehörlosen als „Helden des Rennens “ auf der Bühne geehrt. Mit uns zusammen auch ein weiterer Teilnehmer, der mit einem Rollstuhl und 2 Helfer - Läufern den HMDS geschafft hat! Alle hoben zum Applaus die Händen hoch, es hat uns Tränen in die Augen getrieben. Ja, das war so schön! Danach wurden jeweils die ersten drei Platzierten der 70 km- , 100 km- und der 120 km-Kategorie sowie der Teams für Frauen und Männer geehrt.
Der Galaabend begann mit einer 16-minütigen Filmzusammenfassung aus den 5 Tagen! Ein wirklich schöner Film! Es gab ein sehr vielfältiges und landestypisches Buffet. Wir setzen uns mit unseren Zelt-Stammgästen zusammen. Wir haben gut gegessen, gut getrunken und vor allem viel geredet, da wir uns nun zum letzten Mal sehen werden! Wir beschlossen, unsere Zelte im Sandsturm abzubauen, statt am nächsten frühen Morgen um 3 Uhr. Wir hatten große Mühe, die Zelte wegzuräumen! Danach kamen wir zurück um unsere Desserts zu essen. Gegen 2 Uhr morgens fanden wir einen Schlafplatz im schwarzen Gemeinschafszelt. Es war eine sehr kurze Nacht .
Um 4 Uhr morgens begann die Abreise und die Busse brachten uns zurück nach Ouarzazate ins Hotel. Wir waren sehr froh nach 5 Tagen komplett ohne Internet wieder Zugang zu haben. Jetzt fühlten wir uns mega wohl!
HMDS war eine wirklich großartige menschliche und sportliche Erfahrung, die Organisation war großartig und perfekt. Die Organisation konnte sich schnell an unvorhergesehene Umstände, wie den Sandsturm oder unsere Taubheit anpassen.